Unternehmen können für Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung, die nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse liegen und dem Arbeitslohn zugeordnet werden, 600,- € pro beschäftigter Person und Jahr steuerfrei geltend machen. Die notwendigen Voraussetzungen gilt es allerdings zu beachten, denn sie orientieren sich mit dem Ziel der Qualitätssicherung seit 2019 stärker am Leitfaden Prävention des GKV Spitzverbands. Und damit wird es etwas komplizierter.
Bei mir gab es (erst) seit dem letzten Jahr vereinzelte Rückmeldungen, dass die 2021 eingeführte Umsetzungshilfe des Bundesministeriums für Finanzen zu einer internen Beschränkung auf ZPP zertifizierte Präventionskurse geführt hat bzw. BGF-Maßnahmen aufgrund der inzwischen sehr komplexen Vorgaben gar nicht mehr durchgeführt werden. Bei den gleichzeitig immens gestiegenen AU-Zahlen aufgrund von psychischen Belastungen natürlich ein Problem. Zur Erläuterung:
Laut Umsetzungshilfe "können Maßnahmen steuerbefreit geleistet werden, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung, Zielgerichtetheit und Zertifizierung den Anforderungen der §§ 20 und 20b SGB V genügen. Hierzu zählen
- Leistungen zur individuellen verhaltensbezogenen Prävention (zertifizierte Präventionskurse),
- nicht zertifizierte Präventionskurse des Arbeitgebers soweit bestimmte Voraussetzungen vorliegen und
- Leistungen betrieblicher Gesundheitsförderung im Handlungsfeld "gesundheitsförderlicher Arbeits- und Lebensstil"."
Der Steuerfreibetrag betrifft Angebote der Mitarbeitergesundheit und zwar für die Handlungsfelder Bewegung, Ernährung, Stress- und Ressourcenmanagement sowie Suchtmittelkonsum. (Beratungen zum gesundheitsgerechten Führungskräfteverhalten zum Beispiel liegen laut Umsetzungshilfe im eher eigenbetrieblichen Interesse und werden nicht dem Arbeitslohn zugerechnet, sind also von der Thematik nicht betroffen).
Die problematischen Auswirkungen kurz zusammengefasst: Punkt 1 ist klar definiert durch die ZPP-Zertifizierung. That’s it! Bei den Punkten 2 und 3 sind mehr Kriterien zu beachten, sie benötigen also mehr Ressourcen und Dokumentation bzw. setzen einen betrieblichen Gesundheitsförderungsprozess voraus, in den sie eingebunden werden. Leider mit viel Auslegungsspielraum. Auch ist im Leitfaden Prävention für die Angebote in der Betrieblichen Gesundheitsförderung überhaupt keine Zertifizierung bei der ZPP möglich, da nicht vorgesehen. Notwendig ist jedoch die Anbieterqualifikation. Und das gilt ganz unabhängig von Steuerfreibeträgen schon lange, wenn Unternehmen nämlich zum Beispiel Zuschüsse von Krankenkassen erhalten möchten. Im Leitfaden Prävention sind mit dem Ziel einer Qualitätssicherung die förderfähigen Handlungsfelder, die Qualitätsanforderungen an die Angebote sowie die Anbieterqualifikation verankert.
Warum ist das heute einen Beitrag wert? Ich habe mich eine Zeitlang furchtbar darüber geärgert, dass auch in meiner Branche weitere bürokratischen Hürden geschaffen wurden, vermutlich einfach mangels Einbezug von Fachexperten und Praktikern im Feld. Umgekehrt müssten aktuell alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, Beschäftigten im Unternehmen gute und etablierte Angebote zur Gesundheitsförderung zu machen,
- aufgrund der gestiegenen AU-Zahlen (auch aufgrund von psychischen Erkrankungen)
- um in Zeiten des demografischen Wandels und Fachkräftemangels die Arbeitgeberattraktivität zu pushen und Mitarbeitende zu binden (employer branding)
- um langfristig in die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu investieren und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Meine Ansprechpartner im BGM- und Personalbereich schätze ich auch durchaus so ein, dass sie selbst gute und etablierte Angebote von schlechten unterscheiden können. Nicht selten sitzen dort meine Fachkolleginnen und -Kollegen. Nun zeigen sich Auswirkungen oft einfach erst zeitversetzt. Denn eine Beschränkung auf (durchaus gute!) Präventionskurse ist nicht das Maß aller Dinge, wenn es um betriebliche Gesundheitsförderung geht. Und hier würde sich manch Unternehmen wohl mehr Rechtssicherheit zur Durchführung anderer Angebote wünschen. Und nun kann man entweder resignieren und die Augen verschließen. Oder (wie immer auch in der Belastungsbewältigung der bessere Weg!) man verfolgt das übergeordnete Ziel weiter: Mitarbeitende in der Gesundheitsförderung unterstützen.
Mein Part: Meine Anbieterqualifikation für das Handlungsfeld Stress- und Ressourcenmanagement ist seit langer Zeit gegeben. Ich habe mich in den letzten Monaten an allen relevanten Stellen umgehört, das sind vor allem Berufsverbände und die Prüfinstanzen selbst. Ergänzende Informationen zur Umsetzungshilfe und die links zu allen relevanten Dokumenten finden Sie hier auf meiner Webseite. Falls Sie das Thema sofort anspricht, nehmen Sie bitte auch sehr gerne direkt Kontakt mit mir auf. Ich bin zwecks Austausches mit den Verbänden und einer Rückmeldung an die zuständigen Ministerien an konkreten Stolpersteinen aus der Praxis interessiert.
Ihr Part: Dranbleiben! Die Vorteile von Gesundheitsangeboten habe ich Ihnen oben aufgelistet. Eine gute Möglichkeit: Mit einer Krankenkasse im Hinblick auf Zuschüsse kooperieren. Einmal mehr eine Bedarfsabfrage machen, einmal mehr dokumentieren, einmal mehr beim Steuerberater oder noch besser direkt beim zuständigen Betriebsstätten-Finanzamt nachfragen und sich das „OK“ für den Steuerfreibetrag einholen, denn das dürfen Sie! Ja das ist Zeit, ja das sind Ressourcen. Aber am Ende ist es das wert!