Zur ganzheitlichen Verankerung von Gesundheit im Kontext Betrieb (Betriebliches Gesundheitsmanagement, abgekürzt BGM) gehören unterschiedliche Bereiche, wovon manche freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, andere gesetzlich vorgeschrieben sind. In der ersten Grafik sind die gemäß Leitfaden Prävention relevanten Bereiche eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements abgebildet.
Pflichtbereiche sind der gesetzlich geregelte Arbeitsschutz, unter den auch die Gefährdungsbeurteilung (seit 2013 auch die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen) fällt, sowie das betriebliche Eingliederungsmanagement für Beschäftigte, die länger als 6 Wochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Für Arbeitnehmende ist die Teilnahme am BEM keine Pflicht, sie müssen dem aktiv zustimmen.
Einer der freiwilligen Bereiche ist die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF, siehe Grafik 2). Im BGF wiederum gibt es zwei Handlungsfelder: Die gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung (mit dem Fokus auf Verhältnisse im Unternehmen) und der gesundheitsförderliche Arbeits- und Lebensstil (Fokus Verhaltensprävention der einzelnen Beschäftigten).
Durch die Grafik wird bereits klar: BGF ist mehr, als einen Kicker in den Pausenraum zu stellen. Auch, weil Gesundheitsförderung nie statisch, sondern als Prozess zu betrachten ist. Man kann das aus vielen anderen Lebensbereichen und Alltagssituationen logisch und einfach ableiten: Stellen Sie sich vor, Sie sind beim Laufen umgeknickt und haben ein geschwollenes Gelenk, können nicht auftreten. Was machen Sie? Ab in die Klinik zur Diagnose: Untersuchung durch Arzt, Röntgen, Diagnose Bänderriss. Was jetzt folgt ist die gezielte Behandlung: Hochlagern, Kühlen, Laufen mit Schiene für 3 Wochen. Und natürlich führen Sie - vermutlich täglich - eine Genesungskontrolle durch: Wird es besser? Zur Not gehen Sie noch einmal zum Arzt. So oder ähnlich laufen auch viele andere Alltagsprozesse ab: Wenn wir zum Beispiel einen Urlaub planen, in der neuen Wohnung eine Küche einbauen müssen oder auch schlicht nur ein paar neue Schuhe brauchen, dann überlegen wir, was genau wir brauchen. Wir treffen eine bewusste Entscheidung. Und überprüfen danach, ob die Entscheidung richtig war. Im Fazit machen wir in der Regel nicht einfach irgendwas, sondern gezielt das, was wir nach einer "Diagnose" am besten gebrauchen können. Wenn die Sohle an den Joggingschuhen hinüber ist, kaufen wir als Ersatz keine neuen Sommersandalen. Und wir "checken" nach dem Kauf - bewusst oder unbewusst - ob die Maßnahme geholfen hat (sind die neuen Laufschuhe bequem?). Genau so funktioniert Betriebliche Gesundheitsförderung.
Der Ausgangspunkt für die Etablierung von gesundheitsfördernden Maßnahmen im Unternehmen (das "Umknicken") sind oft steigende AU-Zahlen. Und im besten Fall stellt man dann nicht einfach einen Obstkorb hin (im schlimmsten Fall haben Sie unter 50 Beschäftigten 20 Steinobst-Allergiker...), bietet man nicht einfach ein Nichtrauchertraining an (bei 90% Nichtrauchern im Kollegium), führt irgendeinen Sportkurs durch, oder springt unüberlegt auf einen der Züge der modernen Arbeitswelt auf: New Work, Employee Experience, Organisationale Resilienz, klingt alles super. Aber was genau ist die Intention? Und vor allem: auf welche Zielgruppe treffen die neuen Arbeitskonzepte? Wie ist deren konkrete Ausgangslage? Brauchen die Beschäftigten genau das? Oder sind andere Aspekte vielleicht wichtiger und effektiver in Zielrichtung Gesundheit? Der BGF-Prozess:
1. Diagnose: Im besten Fall wird analysiert, was genau die MA brauchen oder sich wünschen, damit Zufriedenheit und gesundheitliches Wohlbefinden am Arbeitsplatz auch wirklich steigen (Gefährdungsbeurteilung, Mitarbeiterbefragung, regelmäßiges Einholen von Feedbacks etc.).
2. Behandlung: Dann führt man eine darauf abgestimmte Maßnahme durch, das ist manchmal schlicht und einfach sowas wie: Arbeitsbereiche besser abschirmen, regelmäßige Info-Aushänge, als Führungskraft mehr Präsenz zeigen, Störungen durch Besucher einschränken, Mitarbeitenden eine Fortbildung ermöglichen.
3. Genesungskontrolle: Letztlich wird geprüft, ob die Maßnahme geholfen hat (Evaluation durch erneute Befragungen, Blick auf AU-Zahlen, Arbeits-Situations-Analysen etc.).
In der BGM-Grafik wird auch deutlich, dass sich die Teilbereiche durchaus beeinflussen können. So können zum Beispiel aus einer sowieso vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (Arbeitsschutz) Maßnahmen für die Betriebliche Gesundheitsförderung abgeleitet werden (Durchführung von Entspannungspausen, Stressbewältigungsseminaren oder Führungskräfteschulungen zum Thema Gesundheit). In letztere können auch BEM-Themen einfließen.
Krankenkassen unterstützen Unternehmen in der Durchführung eines BGF-Prozesses, fördern eher keine Einzelmaßnahmen - der Zuschuss soll sich ja lohnen. Die konkreten Voraussetzungen dafür sind im Leitfaden Prävention verankert. Und wie sie vielleicht aus dem ersten Inside-BGM-Beitrag wissen, orientieren sich daran seit geraumer Zeit auch die steuerlichen Vorteile für betriebsinterne Angebote im Handlungsfeld Gesundheitsförderlicher Arbeits- und Lebensstil.
Last but not least: Da Gesundheit durch persönliche und äußere Einflüsse permanenten Änderungen ausgesetzt ist, ist auch Gesundheitsförderung nichts einmaliges, sondern ein permanenter Prozess. Ein Standortwechsel ist notwendig? Neue Prozesse werden eingeführt? Umstrukturierungen stehen an? Schon ändert sich die Ausgangslage. So wie Sie beim Laufen ja auch immer wieder umknicken können. Oder die neuen Joggingschuhe irgendwann wieder durch neue ersetzt werden müssen!